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Ullis Geschichte

Mama hatte einen Schlaganfall, da war ich 12 Jahre alt. Ich weiß das noch ganz genau: Wir zwei waren Bummeln auf der Mariahilferstraße, da sagte meine Mutter: „Komisch, ich kann auf einmal nur die halbe Schrift auf dem Schild lesen?“

Portraitaufnahme von Ulli Reich

Ulli Reich heute

Ich wusste damals nicht, was sie damit meinte. Und weil sie sich das selbst nicht erklären konnte,  rief sie ihre Schwester, also meine Tante, an. Da sie aber auch keine Erklärung hatte, riet sie ihr zum Arzt zu gehen. Aber meine Mutter mag keine Arztbesuche – das ist bis heute so – und so sind wir nach Hause gegangen.

Daheim angekommen, ist dann meine Mutter einfach vom Sofa runtergefallen und liegen geblieben. Ich hab in meinem Schock zuerst die Rettung angerufen und dann meine Tante. Aber kurz darauf ist meine Mutter aufgestanden und alleine zum Aufzug gegangen. Und dann ist die Rettung gekommen und hat sie ins Spital gebracht.

Wie ist es Dir danach gegangen?

In dieser Zeit hab ich zu Hause gewohnt, mit meiner Oma. Untertags hat mich meine Tante verpflegt und mit der Oma war ich bei meiner Mama täglich im Spital. Zwei Wochen lang war meine Mutter kaum ansprechbar, diese Zeit war besonders schlimm für mich. Als ich sie einmal viel später gefragt hab, wie sie diese zwei Wochen empfunden hat, sagte sie: „Ich hatte das Gefühl mich endlich einmal richtig ausschlafen zu können.“

Was passierte, als Deine Mama wieder aufgewacht ist?

Dann hat sie erfahren, dass sie gelähmt sei. Das war fürchterlich für sie. Sie war dann insgesamt drei Monate im Spital und anschließend ein Monat lang auf Kur.

Was ist nach der Kur passiert?

Meine Mutter kam endlich wieder nach Hause: aber ich musste ihr beim Duschen helfen, den Haushalt führen, Essen kochen. Wenn sie zum Arzt musste, hab ich sie begleitet, weil der Lift im Halbstock war und die Stufen konnten sie nicht alleine gehen. Und auf der Straße brauchte sie immer den Rollstuhl, da hab ich sie auch geführt. „Essen auf Rädern“ hab ich auch organisiert, aber das war erst viel später, weil ich so lange nicht gewusst hab, dass es so etwas gibt.

 

Wie wirkte sich die Zeit der intensiven Pflege auf Deine Schulnoten aus?

Erstaunlicher Weise gar nicht, ich war in der Schule weiterhin gut und es hat sich trotz der intensiven Betreuungssituation daheim an meine Schulleistungen nichts verändert. Ich konnte immer wieder mit meiner Halbschwester lernen, das hat mir geholfen. Natürlich war meine Freizeit eingeschränkt, viel eingeschränkter als von anderen Schulfreundinnen. Zum Beispiel immer wenn Physio- oder Ergotherapie bei uns zu Hause stattgefunden hat, konnte ich keine Freundinnen zu mir einladen. Oder wenn ich andere Aufgaben daheim erledigen musste, dann war keine Freizeit für mich möglich.

Was war rückblickend betrachtet, Deine schwierigste Situation mit Deiner pflegebedürftigen Mutter?

Schwer zu sagen, aber wahrscheinlich beginnend mit meiner Pubertät und der Höhepunkt war dann mit 20 Jahren. Diese Zeit war die Schlimmste für mich. Ohne meine Freundinnen, das Netz durch die Pfarre und durch meinen Glauben, hätte ich das bestimmt nicht geschafft.

Glaubst Du, Dir hätte superhands damals geholfen?

Definitiv! So etwas hätte ich ganz dringend gebraucht. Ich finde es ganz wichtig, Kindern deren Bezugsperson einen Schlaganfall oder eine andere Erkrankung erlitten hat, helfend zur Seite zu stehen. Sie zu entlasten in der täglichen Pflege und in ihrem seelischen Leid. Denn so eine Erfahrung, so eine Angst um den geliebten Elternteil zu haben, hinterlässt Spuren. Ich weiß das aus eigener Erfahrung!

Was wünschst Du Dir?

Dass Kinder in einer ähnlichen Situation (zu pflegende Mutter oder Vater) nicht mehr allein gelassen werden. Dass es jemanden gibt, der sie an der Hand nimmt und ihnen „tragen“ hilft. Jemanden der den Alltag weiterhin organisiert, und sich das Kind nicht selbst darum kümmern muss. Jemanden der die Sorgen des Kindes ernst nimmt und ihm Zuspruch und Verständnis entgegen bringt.

Und was wünscht Du Dir für Dich persönlich?

Für meine persönliche Zukunft wünsche ich mir, dass ich mit meinen Ängsten und Beziehungsschwierigkeiten besser umgehen lerne, dass mir jemand professionell hilft, wie ich das lösen kann. Wenn sich zum Beispiel eine Freundin nicht täglich bei mir meldet oder ich sie nicht täglich höre, bekomme ich schreckliche Angst und werde nervös. Das ist auch eine Bürde für meinen Freundeskreis, der damit oft überfordert ist. Aber ich weiß nicht, wie ich dieses Gefühl des Verlustes und der Angst besser in den Griff bekommen kann. Ich glaube daher, dass mir diesbezüglich eine Psychotherapie helfen könnte, wo ich mich besser kennenlernen und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten kann.

Ulli ist heute 27 Jahre alt und beendet in Kürze die 3jährige Ausbildung zur Sozialpädagogin. Neben ihrer Ausbildung arbeitet sie in einer WG mit Kindern und Jugendlichen, aber auch das Führen, Leiten und Organisieren interessiert sie. Da Ulli kein Geld für eine Psychotherapie hat, hilft ihr superhands bei der Suche nach einem Therapieplatz und der Finanzierung.

 

superhands dankt Ulli dafür, dass wir ihre persönliche Geschichte hier auf www.superhands.at veröffentlichen dürfen! Ulli möchte damit allen anderen Jugendlichen Mut machen, die in einer ähnlichen Situation sind oder waren.
Ihr Tipp: bei superhands anrufen und sich helfen lassen!
Hotline: 0800 88 87 87