Oft habe ich mich allein gelassen und ohnmächtig gefühlt

Es war kurz vor Anjas zehnten Geburtstag, als ihr Vater an Krebs erkrankte. Bis in ihre Studienzeit hat sie die Krankheit und Pflege des Vaters begleitet.

Portrait von Anja

Ich erinnere mich genau, als mein Vater das erste Mal schwer erkrankte. Es war kurz vor meinem zehnten Geburtstag. Wir mussten unseren Sommerurlaub abbrechen, weil mein Vater von der Rettung ins Krankenhaus nach Salzburg gebracht wurde. Wir Kinder mussten zurück nach Wien, weil bald die Schule beginnen würde.

Mein Vater war damals lange im Krankenhaus. Er hatte Darmkrebs und wurde operiert. Als er wieder nach Hause kam, erholte er sich allmählich wieder. Damals wusste ich nicht, was mein Vater hatte. Ich war wohl noch zu jung, um das zu verstehen oder zu verarbeiten. Das hat mir mein älterer Bruder erst ein paar Jahre später erzählt. Ich weiß noch, wie geschockt ich in diesem Moment war und wie unglaublich hart mich diese Erkenntnis getroffen hat.

In den folgenden Jahren schien es meinem Vater gut zu gehen. Wir hatten den Vorteil, dass meine Mutter Intensivkrankenschwester war und sie sich gut auskannte. So haben wir uns immer gut ausgekannt und aufgehoben gefühlt.

Der Krebs kehrte zurück

Doch das blieb nicht lange so. Nach nur einem Jahr schlug erneut die uns bekannte Bombe ein. Der Krebs war zurückgekehrt. Für unsere Familie folgten Jahre der Unsicherheit und viele Besuche in unterschiedlichsten Krankenhäusern. In dieser Zeit war es für mich und meine zwei Brüder selbstverständlich, meiner Mutter und meinem Vater unter die Arme zu greifen und das gemeinsam durchzustehen. Ich leistete meinem Vater Gesellschaft im Krankenhaus, begleitete ihn zu Ärzten, ins Spital zu Untersuchungen oder in die Apotheke. Ich ging einkaufen und sorgte für eine warme Mahlzeit.

Mit den Jahren hat sich die der Zustand meines Vaters immer mehr verschlechtert. Die Krankheit meines Vaters begleitete mich durch meine gesamte Schul- und Studienzeit. Im Sommer 2019 hatte sich der Krebs derart in seinem Körper verteilt, dass wir ihn auch pflegen mussten. Mein Vater hatte nicht mehr die Kraft, die Wohnung zu verlassen. Und wir wollten ihn nicht im Krankenhaus versorgen lassen.

Abschied nehmen

Diese Wochen waren sehr belastend für uns alle. Ein Hospizteam besuchte uns regelmäßig und sorgte später für einen Platz im CS Hospiz Rennweg. Vom Hospiz-Team wurden wir in der Zeit umfassend betreut und begleitet. Man ist uns mit Achtsamkeit und Wärme begegnet und hat uns oft Trost gespendet. Dafür bin ich rückblickend sehr dankbar. Gemeinsam konnten wir ihn dort auf seinem letzten Weg begleiten und in Ruhe Abschied nehmen. Eine Woche verbrachte mein Vater im Hospiz ehe er Ende August starb.

Inzwischen ist ein Jahr vergangen und es ist immer noch sehr schwer für mich, über diese Erfahrungen zu sprechen. Oft bin ich plötzlich unendlich traurig. Dieser Schmerz trifft mich ohne Vorwarnung. In solchen Momenten hilft es mir, mit meinen Brüdern und meiner Mutter über alte Zeiten zu reden und unsere liebsten Momente von damals auszutauschen.

Vieles ist undurchsichtig

Wenn ich zurückblicke, habe ich mich oft ausgeliefert gefühlt. Vieles ist undurchsichtig. Man weiß nicht, wer wofür zuständig ist, wo man welche Hilfe bekommt. Oft ist man uns mit einer unglaublichen Kälte und Gleichgültigkeit begegnet. Oft habe ich mich überfordert, allein gelassen und ohnmächtig gefühlt.

Daher unterstütze ich heute auch das Team von superhands. Superhands kann zwar nicht direkt vor Ort helfen, aber superhands hilft die richtige Hilfe zur richtigen Zeit zu finden.